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Noch ein Scheibchen Wurst

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So langsam legt sich die Aufregung um die WHO-IARC*-Meldung, wonach verarbeitete Fleischprodukte Krebs auslösen. Zeit sich zu fragen, was von dieser Diskussion hängen bleiben wird.

Erst noch einmal zu den Fakten: Grundsätzlich hat WHO-IARC nichts Falsches kommuniziert, die Risikosteigerung für Darmkrebs ist wohl gegeben. Wie die Evidenz dazu ausschaut, wird hier auf medizin-transparent.at (http://www.medizin-transparent.at/fleisch) ausführlich dargestellt.

Die Reaktionen auf die Meldung des WHO-IARC reichten vom typischen medialen Alarmismus bis hin zu politischen Absurditäten – wie dem demonstrativen Wurstfrühstück eines österreichischen Ministers. Und wie immer in der Medienwelt folgt auf den Alarmismus die Pendelbewegung in die andere Richtung – alles gar nicht so schlimm.

Herausforderung Risikokommunikation

Wenn Wurst als Risikofaktor plötzlich mit Zigaretten oder Alkohol auf einer Ebene landet, dann herrscht auf jeden Fall Erklärungsbedarf – es braucht dann sowohl eine verständliche Begründung, also auch eine Relation, damit möglichst viele Menschen die Information richtig einordnen können. Das Verhältnis sieht nämlich so aus:

„Tabak verursacht rund 30-mal so viele Krebstote wie verarbeitete Fleischprodukte. Bei Tabak sind es etwa eine Million pro Jahr weltweit, bei Fleischprodukten 34.000 Krebstote. Durch Alkohol sterben 18-mal mehr Menschen an Krebs, die Luftverschmutzung bringt sechsmal so viele Menschen um wie Wurst und Schinken.“

Die Medien als überforderte Übersetzer

Es könnte argumentiert werden, dass es die Aufgabe der Medien gewesen wäre, die Information für die Leser passend zu übersetzen. Und ein paar wenige haben das auch gemacht: Die WDR Wissenschaftssendung Quarks und co hat auf Facebook rasch mit der richtigen Berechnung von relativem Risiko die Gefahr auf ein verständliches und weniger furchteinflößendes Maß gebracht. Das österreichische Nachrichtenmagazin profil hat – mit Unterstützung von Cochrane Österreich – einen klärenden Artikel nachgeliefert.

Dass in den meisten tagesaktuellen Medien nicht viel mehr transportiert wird, als dass Wurst Krebs fördert, hätte das WHO-IARC bei so einer irreführenden Aussendung nicht verwundern dürfen.

Was konkret hätte das WHO-IARC also besser machen können? Unglücklich ist vor allem die Art, wie das Risiko beschrieben wurde:

„The experts concluded that each 50gram portion of processed meat eaten daily increases the risk of colorectal cancer by 18%.“

Mit jeder 50 Gramm Portion verarbeitetes Fleisch mehr pro Tag steige das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent. Die Angabe ist jedoch unvollständig und somit irreführend; einerseits, weil für die meisten Menschen unklar ist, worauf sich die 18 % beziehen und andererseits, weil eine Dosis-Wirkung-Beziehung angedeutet wird, die so vermutlich nicht existiert. Ab einer täglichen Fleischmenge von insgesamt 140 Gramm steigt die Krebsgefahr kaum noch weiter an.

Bericht noch nicht veröffentlicht

Ein zweiter wesentlicher Kritikpunkt: Der Expertenbericht, auf den sich die Aussagen stützen, ist noch gar nicht veröffentlicht. Das wurde in den Medien zwar kaum erwähnt, aber für die wissenschaftliche Diskussion ist das zentral. Erst wenn die Arbeit publiziert ist, haben die Wissenschaftler weltweit die Möglichkeit sich selbst ein Bild davon zu machen. Auch wenn 22 Experten an einem Bericht beteiligt sind, heißt das nicht, dass es da inhaltlich nichts mehr zu diskutieren gibt. Wie gut war die Methodik, den Bericht zu erstellen, wie sieht die Qualität der Einzelstudien aus, wie steht es um Interessenskonflikte, usw.?

Was hängen bleibt

Welche Schlüsse werden die Menschen aus dem WHO-IARC Bericht ziehen? Fleisch ist gefährlich? Wir sollten weniger Fleisch essen? Oder: Alles ist irgendwie gefährlich, also auch schon egal? Oder gar: Die WHO veröffentlich auch nur unbrauchbaren Mist?

Wir wissen nicht, was von der Meldung übrig bleibt. Klar ist: Risiken korrekt und angemessen zu kommunizieren ist schwierig und das WHO-IARC ist in diesem Fall an der Aufgabe gescheitert.

*IARC steht für International Agency for Research on Cancer, sie ist Teil der WHO (World Health Organization).

Details auf medizin-transparent.at

Autor: Jörg Wipplinger

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