1.8 Mehr ist nicht notwendigerweise besser

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Dies ist der Achte einer Reihe von über 30 Blog-Artikeln, der sich auf die Schlüsselkonzepte zur besseren Bewertung von Aussagen zu Behandlungen bezieht, die vom IHC-Projekt (Informed Health Choices) entwickelt wurden. Jeder Blog-Artikel erklärt eines dieser Schlüsselkonzepte, um Aussagen zu Wirkungen von Behandlungen besser verstehen und einordnen zu können.

Es erscheint logisch zu denken, dass wenn eine Behandlung wirksam ist, ein Mehr dieser Behandlung eine noch bessere Wirkung hat. Wenn es jedoch um Behandlungen geht, kann es tatsächlich ein „zu viel des Guten“ geben. Denn das richtige Maß für eine Behandlung zu finden, ist wie die richtige Wassertemperatur in der Dusche einzustellen…

Zu wenig Behandlung – und das Gesundheitsproblem wird nicht behoben; – man fühlt sich genauso unwohl wie unter einer kalten Dusche. Durch zu viel Behandlung kann man hingegen einen Schaden erleiden – so wie man sich unter einer zu heißen Dusche verbrühen kann. Genau die richtige Menge an Behandlung und das Problem kann verschwinden – es geht einem besser. Genau wie unter einer Dusche mit der richtigen Wassertemperatur.

Antihistamine

Leider ist ein Zuviel an Behandlung manchmal problematischer als sich unter der Dusche zu verbrühen. Orale Antihistamine können zum Beispiel zur Behandlung einer saisonalen allergischen Rhinitis, auch bekannt als Heuschnupfen, wirksam sein. Die Einnahme der richtigen Menge, also die richtige Dosierung und Dauer der Behandlung wie vom Arzt oder Apotheker verordnet bzw. gemäß der Anweisung in der Packungsbeilage können den Juckreiz der Augen lindern und bei einer verstopften Nase helfen [1][2].

Aber mehr davon einzunehmen kann gefährlich sein. Die Einnahme von zu vielen Antihistaminen kann zu Herzproblemen führen und die Koordination beeinflussen [3]. In schwerwiegenden Fällen können die daraus resultierenden Herzprobleme sogar tödlich sein [4]. Und genau deshalb ist es so wichtig, Behandlungen zu testen. Wenn Antihistamine niemals klinische Studien durchlaufen hätten, wüsste man nicht, welche Dosen nützlich und welche schädlich sind.

Vitamine

Was ist mit anderen Produkten, die keine Arzneimittel sind? Beispielsweise Vitamine – sie sind für die normale Funktion unseres Körpers unerlässlich. Aber macht es Sinn Vitaminpräparate einzunehmen und kann man davon auch zuviel zu sich nehmen?
Nach der Prüfung der dafür vorliegenden Evidenz durch das Scientific Advisory Committee on Nutrition (SACN) rückte Vitamin D besonders ins Licht der Aufmerksamkeit [5]. Der Review legt nahe, dass bei einigen Personen eine Nahrungsergänzung mit Vitamin D nötig ist, um sicherzustellen, dass ihre Knochen und Muskeln bestmöglich versorgt werden. Ein vor Kurzem veröffentlichter Cochrane Review ergab, dass eine Nahrungsergänzung mit Vitamin D wahrscheinlich die Anzahl schwerer Asthmaanfälle reduziert, wenn sie ergänzend zur normalen Asthmamedikation eingenommen wird [6].

Wie bei Arzneimitteln kann man auch bei Vitaminpräparaten zu viel einnehmen. Ein Zuviel an Vitamin D kann im Laufe der Zeit dazu führen, dass sich zu viel Kalzium im Blut anreichert. Dies kann die Knochen eher schädigen als ihnen nützen. Ein hoher Kalziumspiegel kann auch das Herz und die Nieren schädigen [7].

Brustkrebs

Die Ansicht, das ein Mehr an Behandlung besser sei, hat dazu geführt, dass viele Patientinnen mit Brustkrebs eine Behandlung erhalten haben, die einen vermeidbaren Schaden verursacht[8]. In den Anfangszeiten der Brustkrebsbehandlung glaubten Ärzte, dass sich der Krebs langsam von einem Ort zu einem anderen ausbreitet. Durch die operative Entfernung eines größeren Bereichs um die Brust, so dachten sie, wäre die Operation erfolgreicher. Einige Chirurgen gingen sogar soweit, auch die Eierstöcke der Patientin und manchmal sogar Arme auf derselben Seite wie der Brusttumor zu entfernen, nur weil sie dachten, je mehr man operativ entfernte, desto besser.

Dank der Forschungen, die seither durchgeführt wurden, weiß man nun, dass diese entstellenden Operationen unnötig und weniger extreme Behandlungen wirksam sind. Die „Mehr-ist-besser“-Mentalität hat aber wahrscheinlich dazu geführt, dass sich diese Erkenntnis aus der Evidenz nur langsam durchgesetzt hat, denn noch 2003 wurden in Japan 150 radikale Brust-OPs durchgeführt. Es ist wichtig, dass sich die im Gesundheitswesen Tätigen und die Öffentlichkeit gleichermaßen der Gefahren der „Mehr-ist-besser“-Mentalität bewusst sind, um unnötigen Schaden zu vermeiden.

Wie die oben stehenden Beispiele eindrücklich zeigen, ist es von großer Bedeutung, genau zu wissen, welche Dosierung und Dauer einer Behandlung benötigt wird. Das Testen von Behandlungen ermöglicht es uns festzustellen, welche Menge für eine gute Wirkung benötigt wird und dabei den Schaden einer zu großen Menge zu vermeiden. Es ist wichtig, sich stets dessen bewusst zu sein, dass die Steigerung der Dosis oder des Umfangs einer Behandlung häufig die Schäden vermehrt, ohne den Nutzen zu erhöhen.

Text: Ed Walsh

Übersetzt von: Brita Fiess

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