Woman hand giving glass ,Soft drinks with ice

Softdrinks: Flüssige Süßigkeiten und was gegen sie hilft

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Dieser Text wurde von Peter von Philipsborn, Hauptautor des Cochrane Reviews „Verhältnispräventive Maßnahmen zur Reduktion des Konsums und der gesundheitlichen Folgen von Süßgetränken“ verfasst. Er enthält wissenschaftliche Ergebnisse und drückt auch verschiedene persönliche Standpunkte des Autor aus.

Süßgetränke sind nicht gesund – und wir sollten weniger davon trinken. Doch was hilft, um bei Getränken die gesündere Wahl zur einfacheren und attraktiveren Wahl zu machen? Ein aktueller Cochrane Review untersucht, welche Veränderungen dazu beitragen können, den bevölkerungsweiten Süßgetränkekonsum zu reduzieren.

„Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?“ – dieser Satz ist fester Teil des Rituals, mit dem wir Gäste im eigenen Zuhause oder auf Feiern empfangen. Und auch ansonsten bietet das Trinken den äußeren Rahmen für unzählige Rituale und Formen sozialen Zusammenseins: man trifft sich auf einen Kaffee, geht etwas trinken, stößt auf einen Geburtstag an, sieht sich beim Stehempfang. Ob in Cafés, Kneipen, Bars, in der Teestube, beim Kaffeekränzchen oder der Kaffeepause – wo immer Menschen zusammenkommen, da wird getrunken.

Ohne diese Rituale, und das gesellige Zusammensein, das sie ermöglichen, wäre unsere Gesellschaft und unser Leben kaum vorstellbar. Vielleicht hat das Trinken diese Schlüsselfunktion im Sozialleben des Menschen erlangt, weil eine regelmäßige Flüssigkeitaufnahme überlebensnotwendig ist, mehr noch als die Nahrungsaufnahme. Auch wenn die Notwendigkeit, den Körper mit Flüssigkeit zu versorgen, der Ursprung dieser Traditionen sein mag, so sind sie heute vor allem Rahmen und Anlass für soziale Interaktion.

Eine kleine Kulturgeschichte des Getränkekonsums

Und was trinkt man, wenn man zusammen trinkt? Für die ersten 200.000 Jahre der menschlichen Evolutionsgeschichte war dies vor allen ein Getränk: Wasser. Erst nachdem der Mensch vor rund 10.000 Jahren sesshaft wurde, kam Abwechslung hinzu: Milch von domestizierten Tieren, und die ersten alkoholischen Getränke: Bier und Wein. Der erste Tee, so schätzen Historiker*, wurde vor 2500 Jahren aufgegossen, und der erste Kaffee vor 800 Jahren gebrüht. Vor 400 Jahren begann man an fürstlichen Höfen mit Limonaden zu experimentieren. Diese blieben eine Rarität, bis ihnen im 19. Jahrhundert neue technische Möglichkeiten und die Abstinenzbewegung in Europa und den USA zum Aufschwung verhalfen.

Im Jahr 1886 machte dann ein Getränk sein Debut, das bald die Welt erobern sollte: Coca-Cola. In den folgenden 130 Jahren stiegen industriell produzierte Softdrinks in vielen Ländern zu den mit am meisten konsumierten Getränken überhaupt auf. Rund 140 ml werden, so wird geschätzt, im weltweiten Durchschnitt pro Tag und Kopf getrunken, Deutschland (230 ml), Österreich (210 ml) und die Schweiz (240 ml) liegen im oberen Mittelfeld (wobei die Zahlen nicht direkt vergleichbar sind, da Süßgetränke nicht immer gleich definiert werden). Vor allem bei Kindern und Jugendlichen sind Süßgetränke beliebt, und bei Menschen, die in prekären sozialen Verhältnissen leben – vielleicht auch, weil man sich dann das Leben wenigstens ein wenig mit Süßgetränken versüßen möchte, wie George Orwell in den 1930er Jahren unter arbeitslosen englischen Grubenarbeitern beobachtete, die während der großen Depression begannen, ihre leer gewordenen Tage mit dem Trinken von gesüßten Tee zu füllen. Möglicherweise spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle: So konnte zum Beispiel in Studien gezeigt werden, dass sich Werbeplakate für Süßgetränke vor allen in Stadtteilen finden, in denen viele Menschen mit niedrigen Einkommen leben.

Süßgetränke und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit

Vielleicht liegt es daran, dass der Mensch evolutionär nicht daran angepasst ist, Kalorien in flüssiger Form zu sich zu nehmen, oder vielleicht daran, dass Zucker und Koffein die Belohnungszentren in unserem Gehirn aktivieren, und das Sättigungsgefühl ausschalten: In randomisierten kontrollierten Studien konnte nachgewiesen werden, dass Süßgetränke die Gewichtszunahme fördern, und mit einem erhöhten Risiko für Adipositas (starkes Übergewicht) einhergehen. Aus Beobachtungstudien wissen wir, dass regelmäßiger Süßgetränkekonsum mit Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Karies in Zusammenhang stehen.

Menschen gesündere, doch gleichermaßen attraktive Alternativen zu Süßgetränken zu bieten, das ist daher ein Anliegen von Gesundheitsfachleuten und -organisationen in der ganzen Welt, so auch der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Doch wie kann dies gelingen? Dieser Frage sind die AutorInnen eines neuen Cochrane-Reviews nachgegangen. Sie haben ihren Fokus auf Maßnahmen der Verhältnisprävention gelegt, also Maßnahmen, die an äußeren Kontextfaktoren wie der Verfügbarkeit, den Preisen und dem Labelling bzw. der Kennzeichnung von Getränken ansetzen. Berücksichtigt wurden randomisierte und nicht-randomisierte Studien mit einer Dauer von drei Monaten oder mehr, die mindestens 40 TeilnehmerInnen betrachteten, und Effekte auf den Süßgetränkekonsum, das Körpergewicht oder mögliche unerwünschte Effekte berichteten. Studien, die in Forschungslabors oder in der virtuellen Welt durchgeführt wurden, wurden ausgeschlossen.

Die AutorInnen des Reviews fanden insgesamt 58 Studien, die diese vorab definierten Kriterien für Relevanz und Zuverlässigkeit erfüllten. Diese Studien untersuchten eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen, von Veränderungen des Getränkeangebots in Schulen bis hin zu Handels- und Investitionsabkommen. Teilnehmer der Studien waren insgesamt mehr als eine Million Kinder, Jugendliche und Erwachsene in 14 verschiedenen Ländern in Nord- und Südamerika, Europa und Australasien.

Was getan werden kann

Die Ergebnisse bestätigen in weiten Teilen, was Gesundheitsorganisationen schon länger fordern. Erfolgsversprechend sind zum Bespiel die Kennzeichnung der gesundheitlichen Wertigkeit von Getränken mit einfach verständlichen Labeln nach dem Ampelprinzip, die Einschränkung des Softdrinkangebots in Schulen, und Preiserhöhungen auf Softdrinks. Hilfreich kann auch sein, wenn in Restaurantketten in Kindermenüs als Standardgetränk kein Softdrink, sondern ein gesünderes Getränk enthalten ist, oder wenn Supermärkte gesündere Getränke besser und attraktiver platzieren. Positive Effekte wurden auch für lokale Gesundheitskampagnen mit einem Fokus auf Süßgetränken beobachtet, ebenso wie für die Verbesserung der Verfügbarkeit gesünderer Getränke zuhause.

Eine große Herausforderung bleibt bei allen diesen Maßnahmen die (politische) Umsetzung – denn die stößt gerade bei besonders erfolgsversprechenden Maßnahmen oft auf den Widerstand der Industrie. Einige Erfolge sind dennoch schon zu verzeichnen – so führte Frankreich z.B. mit dem sogenannten Nutri-Score ein leicht verständliches, farbcodiertes Nährwertkennzeichnungssystem ein, wenn auch nur auf freiwilliger Basis. Eine europäische Bürgerinitiative setzt sich zur Zeit für eine europaweite Einführung des Nutri-Scores ein. In Deutschland folgen einige Bundesländer den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und bieten in Schulen und Kindergärten kostenloses Wasser, aber keine Softdrinks mehr an. Eine ganze Reihe von Ländern, darunter Großbritannien, Frankreich, Mexiko und einzelne amerikanische Städte haben Steuern auf Süßgetränke eingeführt.

Was die wichtigste Maßnahme im Einsatz gegen Übergewicht und Adipositas sei, wurde der britische Public-Health-Wissenschaftler Harry Rutter einmal gefragt. Seine hintersinnige Antwort war, dass die wichtigste Maßnahme sei es zu verstehen, dass es die eine einzelne wichtigste Maßnahme gar nicht gibt. Was wir essen und trinken, wie viel wir uns bewegen und wieviel wir sitzen, werde von so vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst, dass ein einzelner Ansatz alleine keinen durchschlagenden Erfolg bringen könne. Gebraucht werde vielmehr ein Bündel verschiedener Maßnahmen – und dies gilt sicherlich auch für die Förderung gesünderer Trinkgewohnheiten.

Für manche Maßnahmen lieferten die in den Cochrane Review eingeschlossenen Studien weniger eindeutige Ergebnisse. Unklar ist zum Bespiel, wie sich freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie auf den Zuckergehalt und die Menge verkaufter Süßgetränke auswirken – diese Frage wurde von drei Studien aus den USA untersucht, die uneinheitliche Ergebnisse zeigten. Auch wissen wir nicht sicher, wie sich Freihandels- und Investitionsabkommen auf den Süßgetränkekonsum auswirken, denn auch hierzu liefern die verfügbaren Studien uneinheitliche Ergebnisse.

Insgesamt unterschieden sich die Ergebnisse der einzelnen Studien deutlich voneinander, was ein Hinweis darauf sein kann, dass es stark auf die Details der Umsetzung und des jeweiligen Kontexts ankommt. Doch dies sollte kein Vorwand für Nichtstun sein – wohl aber ein Anlass, weiter zu forschen, und die Umsetzung von Maßnahmen begleitend zu auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Denn dass wir nie auslernen, das zeigt auch die Geschichte der menschlichen Trinkkultur, die begann, als sich der erste Homo sapiens an klarem Quellwasser erfrischte, und die noch lange nicht zu Ende ist.

Text: Peter von Philipsborn, Ludwig-Maximilians-Universität München

Peter von Philipsborn ist Arzt und Public-Health-Wissenschaftler, und forscht an der Pettenkofer School of Public Health der Ludwig-Maximilians-Universität München zu menschlicher Ernährung und den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die diese beeinflussen.

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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